In diesem Beitrag erzähle ich meine persönliche Geschichte, wie ich vom ehemaligen Befürworter von Kernkraftwerken zu einem Skeptiker geworden bin.

Schon als Kind in den Sechzigern war ich sehr interessiert an Technik und Elektrizität. Im Jahr 1969 verfolgte ich fasziniert die erste Mondlandung. Im gleichen Jahr wurde in der Schweiz das erste Atomkraftwerk in Betrieb genommen und man sagte, das ist die Zukunft. In den Siebzigerjahren gingen weitere Atomkraftwerke ans Netz und ich war stolz auf eine fortschrittliche Schweiz und hielt Gegner der Atomenergie für Kommunisten und Weltverbesserer.

Ende Siebzigerjahre studierte ich Starkstromtechnik und arbeitete dann in verschiedenen Industrieunternehmen. Wenn sich im Bekanntenkreis Leute kritisch zur Atomkraft äusserten, dann argumentierte ich mit dem mir heute blöde erscheinenden Argument, dass Atombomben in Flugzeugen viel gefährlicher als Atomkraftwerke sind. In dieser Zeit erlebte ich auch, dass man in der Industrie fehlerhafte Produkte auf den Markt bringt und das dann irgendwie hinbiegt bis Ruhe ist, ohne das eigentliche Problem zu lösen.

1986 wurde mir mit der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl zum ersten mal bewusst, dass ein Atomkraftwerk richtig gefährlich ist. In diesem Jahr fühlte ich mich auch besonders verletzbar, da unser erster Sohn auf die Welt kam. Nachdem wir in der Schweiz keine schlimmen Auswirkungen von Tschernobyl erlebten und versichert wurde, dass so etwas bei uns nie passieren kann, war für mich dieser Unfall als einmaliger Ausreisser erledigt.

Anfang der Neunzigerjahre machte ich mich selbständig und unterrichtete nebenbei an Fachhochschulen Antriebstechnik und Energietechnik. Beim Vorbereiten auf den Unterricht merkte ich, dass ich viele Dinge nicht wirklich verstanden habe. Ich begann mein Wissen zu vertiefen, bis ich die Zusammenhänge fühlte. Dabei gab es auch Bereiche, die mir zu kompliziert waren, wie zum Beispiel Kernphysik. Hier beschränkte ich mich dann auf die mir zugängliche Betrachtung der Zusammenhänge. Meine Erkenntnisse veröffentliche seit 1996 auf energie.ch.

In dieser Zeit besuchte ich auch die beiden grossen Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt. Es wurde mir versichert, dass alles mehrfach abgesichert ist und nichts passieren kann. Ich fand es schade, dass solche Kraftwerke nicht in einer Stadt wie Zürich waren, denn mit der Abwärme könnte man die ganze Stadt heizen.

Am 11. März 2011 (heute vor genau 10 Jahren) ereignete sich dann die Nuklearkatastrophe von Fukushima, ausgelöst durch ein Erdbeben und darauf folgenden Tsunamiwellen. Für einige Zeit befürchtete man damals, dass der Wind eine grosse Fracht von radioaktivem Staub nach Tokio bläst. Zum Glück passierte das nicht. In der folgenden Berichterstattung wurden Details bekannt, die ich nicht erwartet hatte. Wie konnten die Japaner, als Erfinder der Qualitätssicherung, so schlampig sein. Für mich war auch neu, dass es eine Kernschmelze geben kann, wenn die Kühlung nicht funktioniert. Das System ist also nicht Eigensicher, ohne Zutun fährt es nicht selber in einen gefahrlosen Zustand.

Dann gibt es noch das alte Problem mit den Nuklearabfällen. Die könnte man an einem sicheren Ort vergraben, das denke ich schon. Aber niemand möchte das in seiner Nähe haben, und das ist Realität. Dieses Problem müssen wir lösen, aber bis dahin sollten wir nicht noch mehr Abfälle produzieren.

Vorteile von Kernkraftwerken:

  • Kernkraftwerke verursachen nur wenig CO2 pro kWh Strom (etwas Graue Energie beim Bau, laufend etwas bei der Uranbeschaffung und etwas mehr beim Rückbau). Kernkraftwerke könnten uns eine CO2-freie Zukunft ermöglichen, denn dann fahren auch Bagger und Lastwagen CO2-frei.
  • Die Technik ist verfügbar und langlebig.
  • Der Brennstoff Uran ist zwar nicht erneuerbar, aber es hat noch viel davon. Die Brennstoffkosten machen nur 20 % der Stromproduktionskosten aus.
  • Kernkraftwerke sind für Dauerbetrieb ausgelegt (Grundlast). Eine Leistungsabsenkung bis 40 % ist möglich.

Nachteile von Kernkraftwerken:

  • Risiko. Unfälle sind theoretisch sehr unwahrscheinlich aber praktisch schon mehrmals passiert. Ein sehr schlimmer Unfall kann Millionen von Menschen treffen und sehr grosse Zonen für mehrere Generationen verseuchen. Wenn ein Staudamm bricht oder ein Verkehrsflugzeug in dicht besiedeltem Gebiet abstürzt, ist das auch sehr schlimm. Es sind aber viel weniger Personen betroffen und nach ein paar Wochen ist die Gefahr beseitigt.
  • Es entstehen radioaktive Abfälle und niemand will sie in der Nähe.
  • Die Rentabilität ist unsicher (Endlagerung, Rückbau, Versicherung).
  • Es gibt nur grosse Anlagen, die Abwärme wird kaum genutzt.

Persönliche Schlussfolgerung:

Ich verstehe die Faszination für Kernenergie, da ich sie selbst hatte. Ich weiss aber auch, dass wir Fehler machen und darum sollten wir von sehr gefährlichen Sachen die Finger lassen.

Man sollte Kernkraftwerke, die nicht Eigensicher sind und radioaktive Abfälle produzieren, nur noch bis zum Abbrand der eingesetzten Brennstäbe betreiben und dann abschalten.

Die Entwicklung von neuen sicheren Kernkrafttechnologien halte ich für möglich und würde die als liberaler Mensch nicht verbieten. Ich vermute aber, dass es noch lange dauern wird und dass diese dann nicht mehr benötigt werden.

Ich respektiere Befürworter von Kernkraftwerken und weiss, dass Kernkraftwerke eine fast CO2-freie Lösung für eine sichere Stromversorgung sind.